Aikido-Lehrer Harald Helmerichs-Bunjes im INSIDE-Interview

Nordwest-Zeitung „INSIDE" Seite 3: Freitag, 20. Juni 2008

  

Der Weg der Harmonie

  

  

Aikido ist eine defensive Kampfsportart, die im 20. Jahrhundert in Japan entstand. Der Begründer, der verschiedene Kampfkünste beherrschte, verstand sie eher als Friedenssportart. Aikido (Ai bedeutet Harmonie, Ki Energie und Do Weg) kann man beim Verein Schwarz-Weiß-Oldenburg trainieren. INSIDE hat mit dem Abteilungsleiter Harald Helmerichs-Bunjes gesprochen, der seit 1991 unterrichtet.

 

 

 

 

INSIDE: Sie machen seit Jahrzehnten Aikido - muss man auf der Straße Angst vor Ihnen haben?

Helmerichs-Bunjes: Nein, braucht man nicht. Aikido gehört zu den Budo-Sportarten, Bu ist eine japanische Silbe, die Verteidigung bedeutet und auch den Aspekt Entwaffnen enthält. Do bedeutet Weg. Anders als bei anderen Sportarten verteidigt man sich nicht mit einem Angriff, sondern weicht nach vorne aus. Aikido ist so „gefährlich", dass es keinen Wettkampf gibt. (lacht)

INSIDE: Wie läuft denn das Training ab?

Helmerichs-Bunjes: Es fängt mit Aufwärmtraining an, vor allem Dehnübungen. Danach gibt es die Wurfschule, da wird vorwärts und rückwärts gerollt. Dann macht man verschiedene Übungen - Wurftechniken und Haltegriffe. Diese Übungstechniken lernt man über Jahre.

Inside: Das ist wie bei anderen Kampfsportarten?

Helmerichs-Bunjes: Ja. Am Anfang macht man viel aus dem Stand, dann kommt man in die Bewegung rein, dann macht man plötzlich zwei Bewegungen auf einmal und merkt nach und nach, dass es ein genaues Timing ist.

Inside: Trainiert man immer zu zweit?


Helmerichs-Bunjes: Man trainiert mit wechselnden Übungspartnern. Anfänger und Fortgeschrittene trainieren zusammen, weil beide voneinander lernen können. Der Begründer des Aikido nannte es übrigens auch nicht Kampfsport sondern Friedenssport. Er wollte in einer Konfliktsituation den Frieden wieder herstellen. Es gibt auch sehr wenig Verletzungen im Aikido, obwohl es von der Schnelligkeit und der Bewegung her heftig zur Sache gehen kann.

Inside: Wie ist Aikido entstanden?

Helmerichs-Bunjes: In Japan gab es in den 20er, 30er Jahren jemanden, Morihei Ueshiba, der ganz viele Budo-Sportarten gelernt und dann erkannt hat: Es wird immer einen Stärkeren geben. Der hat dann diese neue Technik der Verteidigung entwickelt. Hinterher hat man über ihn geschrieben, dass er alle beherrscht hat. Es ging nicht ums Besiegen bei ihm.

Inside: Gibt es auch Gürtelprüfungen?

Helmerichs-Bunjes: Es gibt nur Schüler und Meister, also Kyu-Grade und Dan-Grade. Wenn man den Dan-Grad hat, trägt man auch einen Hakama, das ist so eine Faltenhose, die sieht von weitem aus wie ein Rock. Das ist die traditionelle japanische Kleidung der Samurai.

Inside: Wird bei Ihnen auch asiatisches Denken vermittelt?

Helmerichs-Bunjes:
Ja, die ganze japanische Tradition ist vom Zen-Buddhismus beeinflusst. Es geht darum, über kurzfristige Willensäußerungen und Bedürfnisse hinweggehen zu können. Zum Beispiel, dass ich nicht gleich auf 180 bin, wenn mich jemand beleidigt, sondern einen Schritt zur Seite trete und überlege, wie sind meine Gefühle, und dann erst reagiere. Das wird beim Aikido eigentlich auch gemacht. Wenn eine Faust kommt oder ein Messer, starrt man nicht darauf, sondern geht zur Seite. Das ist die Quintessenz beim Aikido: aufeinander eingehen und ein Stück neben sich treten. Ich versuche auch den Kindern beizubringen, dass man nicht feige ist, wenn man ausweicht.

INSIDE: Was macht im Aikido so Spaß?

Helmerichs-Bunjes: Das Vorwärtsrollen, den Körper zu bewegen.

INSIDE: Wann kämpft man mit Stock und Schwert?

Helmerichs-Bunjes: Man übt damit von Anfang an. Viele Bewegungen im Aikido kommen aus dem Schwertkampf, darum wird auch mit dem Holzschwert, dem Bokken, geübt.

Inside: Kann Aikido heikle Situationen verhindern?

Helmerichs-Bunjes: Ich habe einen 16-jährigen Schüler, der wurde immer von Mitschülern als Mädchen verlacht, weil er lange Haare hat und sehr dünn ist. Der hat denen dann mal ein paar Griffe gezeigt, ohne ihnen weh zu tun, und seitdem wird er akzeptiert.



Quelle: Nordwest-Zeitung. Oldenburg 

(Veröffentlichung hier mit freundlicher Genehmigung der NWZ) 

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